Julius Rodenbergs Grundstück …

Ein Besuch am (ehem.) Grab von Julius Rodenberg in Berlin Friedrichsfelde

Julius Rodenberg starb am 11. Juli 1914 und wurde beigesetzt auf dem Gemeindefriedhof in Friedrichsfelde. Das Grab ist 1973 eingeebnet worden und nicht neu belegt. „Ohne Not“, wie der Ostberliner Feuilletonist Heinz Knobloch, ein echter Fan von J. Rodenberg, 1987 in seinem Buch „Berliner Grabsteine“ angesichts der bestehenden DDR mutig schrieb, und weiter: „Denkmalschutz scheint Glücksache!“. Diese Bemerkung war zu der Zeit schon fast übermütig…

Das Rondell

Im Berlin des 19. Jahrhunderts gab es zahllose Friedhöfe, z.B. die für die Angehörigen bestimmter Konfessionen, die für die Armen, nämlich den „Gottesacker“. Für Reiche oder Angehörige bestimmter Stände gab es wiederum eigene Begräbnisstätten. Im Jahre 1881 wurde jedoch ein gänzlich neuer, nicht den bisherigen Einschränkungen unterworfene Gemeindefriedhof in Friedrichsfelde eingerichtet. Initiator war der damalige Berliner Stadtrat Dr. Ernst Friedel (1837-1918). Wir werden ihm noch einmal begegnen…

Im September 1891 druckte Rodenberg zuerst in seiner „Deutschen Rundschau“ seine Erzählung „Klostermanns Grundstück“ ab. Die Handlung spielt im Berlin am Ende des 19. Jahrhunderts. Die Hauptstadt erstickt am Zustrom der Men­schen aus allen Teilen des neuen deut­schen Kaiserreiches. Der kleine Stadt­beamte Cajus Klo­stermann und seine Ehe­frau Flavia ha­ben nur einen sehn­lichen Wunsch: ein be­schei­denes Häuschen mit Garten im Umland von Berlin. Nach langer Zeit des Spa­rens und der Suche finden sie im da­ma­ligen „Schöneberger Feld“ ei­ne er­schwing­liche Stadtvilla. Ihr Traum scheint Wirklichkeit zu werden …
Doch bevor es zum Kauf kommt verlieren die Klostermanns bei einer Grundstücksspekulation ihre gesamten Ersparnisse. Das Paar entfremdet sich in der Folge. Eines Tages erzählt Cajus von einem neuen Grundstück das er gekauft hat und will es nun seiner Frau zeigen. Sie fahren erst mit der Pferdebahn, gehen dann zu Fuß weiter, über Schienenstränge, bis sie den „Gemeindefriedhof für Berlin“ betreten. Hier, in Friedrichsfelde, zeigt Cajus seiner Frau das erworbene Stück Land. Es trägt eine kleine Tafel: „Begräbnisstätte für das Ehepaar Klostermann“. Dieser Friedhof „ist der einzige dieses ungeheuren Bezirks von Millionen, in dem es keinen Unterschied des Standes, des Ranges, ja nicht einmal des Bekenntnisses mehr gibt. (…)“ erzählt C. Klostermann seiner Frau. „Weil es hier keine solche Trennung mehr gibt, darum hab ich gedacht, dass es gut sei, hier zu ruhen.“
Offenbar entstand zu der Zeit der Wunsch in ihm, seine letzte Ruhe auf eben diesem Friedhof zu finden.

Historisches Bild der Grabstelle, mit freundlicher Genehmigung der Klassik Stiftung Weimar.

Der parkähnliche und heute unter Denkmalschutz stehende Friedhof befindet sich im Stadtteil Lichterfelde und wurde durch die hier bestatteten Wilhelm und Karl Liebknecht, Rosa Luxemburg und anderen als „Sozialistenfriedhof“ bekannt. Bis zum Ende der DDR dienten die Gedenkstätte und der zentrale Pergolenweg dann als Ehrenfriedhof der DDR. Neben Walter Ulbricht ist auch die Urne von Erich Mielke, allerdings ohne Kennzeichnung der Grabstelle, in Friedrichsfelde beigesetzt. Zu Zeiten der DDR ehrten regelmäßig am 2. Sonntag im Januar die Mitglieder der Staatsführung mit geballter Faust die verstorbenen Vorkämpfer der Arbeiterbewegung.

Vom S-Bahnhof „Friedrichsfelde Ost“ gelangt man in ca. 15 Minuten zu Fuß zum eindrucksvollen Eingang des Friedhofes. Auf dem Weg dorthin haben wir auf halber Strecke ein „Basislager“ im Biergarten eines griechischen Lokals errichtet. Es hat sich gelohnt!
Sind die Schienenstränge, welche wir auf dem weiteren Weg gerade überquert haben, noch die Schienen, welche Julius Rodenberg damals überquert hat? Das (linke) Sozialistendenkmal lassen wir (rechts) liegen, weil nicht Grund unseres Besuches. Dann die erste Überraschung: Auf einer Informationstafel am Eingang ist unser Julius Rodenberg erwähnt! Allerdings wird er als „Verleger“ bezeichnet. Aua! Er war vieles: Dichter, Journalist, Redakteur, Schriftsteller und Herausgeber. Verleger war er jedoch nie!

Inschrift auf dem von Hugo Lederer gestaltetem Grabstein.

Wir machen uns auf einen beschilderter Rundgang mit 16 Stationen, den wir allerdings etwas abkürzen. Station 12 ist Julius Rodenberg! Vorbei am Grab von Käthe Kollwitz gelangen wir zum „Rondell Mittelallee“, eine Art Kreisverkehr in der zentralen Fußgänger-Allee. Wir stehen vor einer rötlichen Granitplatte. Die obere Hälfte ist Julius Rodenberg gewidmet. Die ursprünglich goldenen ausgefüllten Buchstaben sind ausgewaschen und schwer lesbar. Aber es ist ein schöner Platz. Wie in einem Garten, inmitten von Blumenduft und des Geruchs von frischem Grün. Vor wenigen Minuten waren wir noch im dichten Gewühl der Großstadt und nun umgibt uns Einsamkeit und vollkommene Stille. Nachdem wir ein Steinchen aus seiner Geburtsstadt auf der Gedenkplatte abgelegt haben machen wir uns etwas nachdenklich auf den Rückweg…

Doch an wen wird auf der unteren Hälfte der Granitplatte erinnert? Julius Rodenbergs Nachbar im Rondell ist der oben erwähnte Stadtrat Dr. Ernst Friedel. Er ist der Gründer des Märkischen Museums und Initiator eben diese Städtischen Friedhofes. Kannten sie sich oder hat der Zufall sie im Tode zusammen geführt? Man kann annehmen, dass sie sich sympathisch gewesen waren/wären…

Klostermanns Grundstück, Geschichten aus dem Berlin der Gründerzeit
ISBN 978-3-00-050887-5, ist neben anderen Neuausgaben von J. Rodenberg in unserem Museum und der Deisterbuchhandlung erhältlich.

Weitere Infos:
http://www.sozialistenfriedhof.de/
https://de.wikipedia.org/wiki/Zentralfriedhof_Friedrichsfelde

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